Erste…!

Es hat in der Nacht geschneit, ich kann das ganz genau erkennen, weil ich aus dem Dachfenster nichts sehen kann. Ich kann nicht mehr schlafen, denke ich, denn der Tag lauert schon hinter der Schneelast. Ich schäle mich aus dem Bett und gehe in den Flur. Ich bin die Erste. Jemand hat am Abend das Licht angelassen, das ich jetzt an lasse.

Ich bin die Erste im Bad. Ich wechsle das Klopapier. Also ich wechsle eine leere Rolle Pappe gegen eine ganze neue Rolle Klopapier. Ich frage mich, warum ich gefühlt immer die Erste bin, die das Bad betritt, wenn jemand anders vor mir die Rolle vollständig geleert hat. Ich kann aber niemanden fragen, denn alle schlafen noch.

Im Rausgehen schütte ich Putzmittel in die Toilette und sprühe das Waschbecken mit Reinigungsmittel ein. Ich leere die Geschirrspülmaschine und mache sie gleich wieder voll. Am Zielort der Teller steht auch die Obstschale – ich sortiere Obst in den Biomüll und wasche die Obstschale aus. Ich öffne die Rolläden, weil ich beim Wegbringen der Gläser am Zugband vorbei komme. Und beim Abräumen der Gläser des Vorabends nehme ich mir das nächste Zugband vor.

Ich entscheide mich, die Mathe-Aufgaben für #3 schon auszudrucken. Dafür mache ich mir einen Kaffee. Die Kaffeemaschine möchte zuerst Wasser (sagt sie), dann Kaffeebohnen. Die leere Packung Milch, die ich im Kühlschrank vorfinde, tue ich in den Müll. Ich hole neue Milch aus dem Hauswirtschaftsraum und vergesse, dass ich Kaffee trinken wollte.

Ich frage mich, warum ich gefühlt immer die Erste bin, die Milch braucht, wenn jemand anders vor mir die Milchpackung geleert und zum Schein wieder in den Kühlschrank gestellt hat. Ich kann aber niemanden fragen, denn alle schlafen noch.

Ich öffne die 4 Padlets für die täglichen Aufgaben von #3 und drucke die Aufgabenzettel für Mathe. Denke ich, aber es ist kein Papier mehr im Drucker. Ich fülle Druckerpapier in einer Menge nach, die den Tag über reichen sollte. Dabei denke ich an die letzte Abrechnung des Druckers: wir haben 100 Seiten im Monat an Kontingent. Weitere Kontingente kaufen wir in 10er-Seiten nach. Wir haben im letzten Monat 23 x 10 Seiten nachgekauft. Ich mache mir eine Notiz, dass ich den Tarif ändern sollte.

Ich frage mich, warum ich gefühlt immer die Erste bin, die drucken möchte, wenn jemand anders vor mir das Papier aufgebraucht hat. Ich kann aber niemanden fragen, denn alle schlafen noch.

Ich gehe in das Badezimmer zum systemrelevanten Mann und denke dabei, dass ich unbedingt die Treppe mal wieder absaugen müsste. Er wirkt schlecht gelaunt. Er sagt, ich solle ihm erklären, wie ich um 5.30 h morgens auf die Idee käme, die Geschirrspülmaschine auszuräumen. Auf so eine Idee müsse man erstmal kommen. Er weiß nicht, dass ich um 6 h kurz davor war, die Treppe auf dem Weg nach oben zu saugen. Der Mann, dessen Leben sich seit Corona nur minimal verändert hat, kann sich den Wahnsinn des Tages nicht vorstellen.

Ich dusche schnell und mache Kaffee. Einer mit Milch und einer ohne. Während die Milch in der Mikrowelle warm wird, stelle ich mir draußen den Schneeschieber bereit. Die Kaffeemaschine sagt, ich müsse den Kaffeesatz leeren, außerdem müsse sie entkalkt und gereinigt werden. Sagt sie.

Ich frage mich, warum ich gefühlt immer die Erste bin, die einen Kaffee möchte, wenn jemand anders vor mir die Bohnen oder das Wasser aufgebraucht hat oder der Trester voll ist oder sie sonst eine Aufmerksamkeit benötigt. Ich stelle diese Frage nicht, denn ich bin in Eile. Ich trinke den Kaffee im Stehen und warte, dass der Mann endlich das Haus verlässt.

Ich werfe mir eine Jacke über und schlüpfe in meine dicken Schuhe. Ich muss um 7 Uhr im Supermarkt sein, mein Zeitfenster für das Schneeschieben lautet 15 Minuten. Das gestern von mir gekaufte Streusalz (2 x 12,5 Kilo) liegt noch vor der Haustür. Praktisch, hat niemand weggeräumt. Hat auch gar keiner leer gemacht. Liegt jetzt also an der richtigen Stelle. Ich bin die Erste in der Nachbarschaft. Auch den Supermarkt betrete ich als erste Kundin des Tages. Läuft!

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